„Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Glocke werden.
Frisch, Gesellen! seyd zur Hand.
Von der Stirne heiß
Rinnen muß der Schweiß,
Soll das Werk den Meister loben!
Doch der Segen kommt von oben.“

So beginnt „Das Lied von Glocke“, in welchem der Dichter Friedrich Schiller 1799 der uralten Handwerkskunst des Glockengießens ein Denkmal gesetzt hat. Die ältere Generation musste das Gedicht in der Hauptschule und in der Unterstufe des Gymnasiums noch auswendig lernen. Die Herstellung von Kirchenglocken, welche ja komplizierte Musikinstrumente sind, ist eine geheimnisumwitterte Kunst, in der sich Wissenschaft und Forschung, handwerkliches Können und vor allem generationenübergreifende Erfahrung treffen. So ist es nicht verwunderlich, dass von früher zahlreichen, heute nur mehr wenige bedeutende Glockengießereien übrig geblieben sind, welche sich meist schon seit Jahrhunderten im Familienbesitz befinden. Obwohl heute zur Berechnung einer Glocke hinsichtlich Statik, Wandstärke und Klangvolumen modernste technische Mittel zur Verfügung stehen, bleibt die Herstellung ein uralter Vorgang, bei dem sich Werkzeuge und Materialien im Laufe der Jahrhunderte kaum verändert haben.  Wir haben in Innsbruck das Glück, dass die Firma Grassmayr, welche weltweit eine der besten Glockengießereien ist, seit 1836 seinen Sitz in Wilten hat. Die erste Kirchenglocke wurde von dieser Firma, welche aus Habichen im Ötztal stammt, im Jahr 1599 gegossen. So reicht deren Tradition über 400 Jahre zurück. Johannes Grassmayr führt jetzt in 14. Generation die Geschäfte der Firma. Schon vor mehreren Monaten wurde in der Schützenkompanie Amras der Wunsch laut, ein Mal einem Glockenguss beiwohnen zu können. Am Freitag, den 19. Juli 2018 war die Teilnahme an einem solchen Ereignis möglich und die interessierten Mitglieder unserer Kompanie fanden sich, auf Einladung des Seniorchefs Christoph Grassmayr, mit Angehörigen und Freunden in der Firma ein. Nach einer Führung durch Glockenmuseum mit eingehenden historischen und technischen Erläuterungen, begaben wir uns in die Gusshalle. Von den zehn zu gießenden Glocken waren zwei für die Kirche einer slowenischen Gemeinde; daher war ein Priester mit einigen Mitgliedern dieser Gemeinde angereist. Alle anderen Glocken waren für Kirchen in weit entfernten Gegenden der Welt, wo die Auftraggeber und die jeweiligen Gemeindemitglieder keine Möglichkeit hatten, nach Innsbruck zu kommen. Aus diesem Grund war auch für eine Gruppe von Südtiroler Mesnern und für uns Platz und die Möglichkeit, dem Ereignis beizuwohnen. Als die Glockenspeise heiß genug war, sprach der slowenische Priester die Weihegebete und segnete die Glockenformen. Nun begann der Guss, bei dem das glühende Metall zuerst in die Pfanne und von dort in die vorbereiteten Glockenformen gegossen wurde. Mit einem „Vater unser“, jeder in seiner Sprache gebetet und mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Großer Gott wir loben Dich“ ging der Guss zu Ende. Die Glocken müssen jetzt einige Tage auskühlen und nach dem Entfernen der Formen wird sich weisen, ob der Guss gelungen ist. Fehlgüsse sind, wie Christoph Grassmayr erklärte, sehr selten. Dann können die Glocken mehrere Jahrhunderte zur Ehre Gottes läuten. Für uns alle war der Besuch der Firma Grassmayr mit der seltenen Möglichkeit, neben dem Museum, auch den Glockenguss miterleben zu können, ein unvergessliches Erlebnis. Wir bedanken uns und wünschen der traditionsreichen Familie mit ihrer Firma weiterhin viel Glück und Erfolg.

Fotos: Schützenkompanie Amras